Hermann Pitz
*1956 | in Oldenburg |
1975 – 1981 | Studium der Malerei an der Hochschule der Künste Berlin; Meisterschüler bei Raimund Girke |
1987 | documenta VIII; Skulptur. Projekte Münster |
1988 | Biennale Venedig |
1992 | documenta IX |
seit 1990 | Dozent an der Rijksakademie Amsterdam |
seit 2002 | Lehrstuhl für Bildhauerei an der Akademie der Bildenden Künste in München |
seit 2006 | Stv. Direktor der Sektion Bildende Kunst der Akademie der Künste, Berlin |
zahlreiche Preise und Nominierungen | |
internationale Ausstellungstätigkeit und Projekte im öffentlichen Raum | |
lebt in München. |
Werke
HISTORISCHE SCHICHTUNGEN
In den letzten Jahren sind durch Satellitenübertragung, Navigationssysteme und Anbieter wie Google Earth höchst komplexe kartographische Techniken und Verfahren zu Alltagsinstrumentarien geworden. Noch ist nicht abzusehen, welche Folgen sie auf unser Weltbild haben werden. Die Auseinandersetzung damit hat auch im künstlerischen Bereich eine starke Resonanz erfahren.
Der jüngere Begriff des „Mapping“ umschreibt eine Strategie, die sich im weitesten Sinne durch das bewusste Vermessen, Analysieren, Strukturieren und Kartographieren geographischer, statistischer, historischer, symbolischer oder metaphorischer Räume kennzeichnet.
Hermann Pitz hat sich seit den frühen 1980er Jahren mit Landkarten und kartographischen Methoden beschäftigt und verschiedene Formen des „Mapping“ entwickelt.
Die Veränderung der Maßstäbe, vor allem die Miniaturisierung von Landschaften, die Betrachtung durch Linsen und Sehapparate, die Deformierung von Objekten auf der Wahrnehmungsebene sind grundlegende Themen des Künstlers. Was bedeutet es letztlich, wenn eine Landschaft auf die Fläche projiziert wird?
Für den Neubau der Landessparkasse zu Oldenburg hat Pitz eine großformatige Skulptur entworfen, die sich mit den historischen Schichtungen und der perspektivischen Relativiertheit kartographischer Darstellungen beschäftigt.
Ausgangspunkt sind historische Darstellungen der Grund- fläche der Grafschaft bzw. des Herzogtums und ehemaligen Landes Oldenburg. Die prominent im Atrium präsentierte Skulptur besteht aus einem tischähnlichen Rahmen und 19 Elementen von gefrästen Umrisszeichnungen geografischer Flächen. Diese sind als Aluminiumplatten ausgeführt, auf deren matt glänzender Oberfläche starke Sonnenlichtspiegelungen möglich sind. Mit ihrem Scherenschnitt- Charakter schafft der Künstler ein „retinales Bild im Gegenlicht“ (Pitz), das sich zudem gegen die stark aufgerasterten Glasfronten der Architektur zu behaupten weiß. Einige Kartenumrisse liegen auf den Rahmenkanten des oberflächenlosen Tisches, andere sind im Rahmenfeld vertikal übereinandergelehnt, wieder andere sind am Tischrahmen befestigt oder befinden sich unter dem Tisch. Pitz verräumlicht derart ein kartographisches Geflecht verschiedener Quellen und Zeiten, darunter Darstellungen aus den Jahren 1546, 1618, 1648, 1815, 1877 und 1966 und vergegenwärtigt damit auch größere historische Ereignisse wie die Reformationsbewegung, den Dreißigjährigen Krieg, die Befreiungskriege und Phasen der Verwaltungsreform.
Kartographien sind immer mit territorialen Machtansprüchen verknüpft. So zeigen Landkarten gemeinhin einen schematisierten, überdehnten und verformten Blick auf das Territorium, das sie darstellen. Pitz zeigt mit der Anordnung seiner Elemente nicht nur territoriale Veränderungen, sondern vor allem auch perspektivische Verschiebungen auf. Bisweilen verselbstständigen sich so figurative Metamorphosen. Um der Wandelbarkeit der Formen doch einen Halt zu geben, entschied sich der Künstler, den Namen des Landes einzuarbeiten, auch markierend, dass die Nomenklatur essentieller Bestandteil einer Karte ist.
Deutlich bleibt aber vor allem der symbolische Gehalt, den der fragmentarische Charakter der Darstellung besitzt. Eine Karte ist immer aus Segmenten zusammengesetzt, und auch die jetzige Geschichte Oldenburgs bleibt nur Teil eines höheren Zusammenhanges, in der die „Lokalität des Ereignishaften“ (Marie-Ange Brayer) die geographische Globalisierung immer wieder zu irritieren weiß.
(Sabine Maria Schmidt , Sammlungskatalog „IM NORDEN“, 2009)