ÓLAFUR ELÍASSON
* 1967 | in Kopenhagen, aufgewachsen in Island und Dänemark |
1989 – 1995 | Studium an der Königlich Dänischen Kunstakademie Kopenhagen |
2003 | Teilnahme an der Biennale Venedig |
seit 2003 | weltweit Ausstellungen und Projekte, u.a. Tate Modern, London; Museum of Modern Art, New York |
seit 2008 | Professor an der Universität der Künste (UdK) Berlin |
zahlreiche Auszeichnungen und Preise | |
lebt in Berlin und Kopenhagen. | |
www.olafureliasson.de |
Werke
DIE ERSTRECKUNG DES RAUMES
Leonardo gilt uns noch heute als der Typus eines Forscher- Künstlers, der nicht nur wunderbare Bilder malte, sondern auch raffinierte Erfindungen machte und naturwissenschaftlich forschte. In den letzten Jahrzehnten der Erfolge der expressiven Malerei mit ihren symbolisch-mythischen Inhalten scheint es geradezu notwendig, dass Künstler wie Ólafur Elíasson diese alte Renaissance-Tradition mit neuen Formen und Inhalten fortsetzen.
Das begründet auch seinen großen internationalen Erfolg.
Wenn Isaac Newton Anfang des 19. Jahrhunderts vorgeworfen wurde, die Poesie des Regenbogens dadurch zerstört zu haben, dass er dieses Phänomen mit dem Brechungsspektrum erklärte, dann sind wir auch schon nah an Ólafur Elíassons künstlerischem Ansatz: Die Naturphänomene so rein und klar sichtbar werden lassen, dass der einzelne Betrachter sich nicht mehr entscheiden kann zwischen den scheinbar so selbstverständlichen Gegensätzen – Kunst und Natur, die hier zu Einem werden, zu ästhetischen Naturphänomenen.
Dies gelingt Elíasson ganz ohne didaktische oder gar symbolische Nebenwege, sondern pur und klar, indem er das Naturphänomen in seiner ganzen Stringenz sichtbar werden lässt.
Neben den naturwissenschaftlichen Grundlagen beschäftigt Elíasson immer auch die Frage, wie und was SEHEN ist und was also wir als Realität wahrnehmen.
Die Erkenntnistheorie hat uns gelehrt, dass wir unterschiedliche Realitäten kennen:
Ist diese Sternenform, die wir aus schönsten alten Ornamenten kennen, nun eigentlich real dort unten im Boden schwebend zu sehen oder ergibt sich die Form „nur“ aus Spiegelungen? Oder ist gar alles, was wir dort materiell zu sehen glauben, eine immaterielle Projektion?
Wenn Elíasson von einem Kritiker einmal der „Meister der Spiegelwelten“ genannt wurde, dann trifft diese saloppe Bezeichnung sogar den tiefen Kern vieler Arbeiten des Künstlers. Geht es um die Urformen der Natur als Beispiel für die Zusammenhänge von Mikro- und Makrokosmos oder um die Sinnestäuschungen unserer Wahrnehmungen – oder um ein ästhetisch perfektes, schönes Objekt an einem überraschenden Ort?
Die Lichtskulptur „Negative glacier kaleidoscope (Kepler dodeca star)“, 2007, ist eine von 12 Varianten von Kaleidoskopen, die in Ólafur Elíasson Berliner Labor- Studio erforscht wurden und deren visuelle Potenzen er herausarbeitet. Hier in diesem Werk in Oldenburg sieht der Betrachter durch die im Boden eingelassene dreieckige Glasscheibe einen in einem Hohlraum schwebenden Zwölfstern, dessen Farbe je nach Tageslicht von sattem Gelb bis Weiß wechselt. Die drei aufeinander zulaufenden Spitzen der innen liegenden Spiegel sind so gekappt, dass Licht durch deren Ausschnitt scheint und eine drei dimensional anmutende Form in der Reflexion der Spiegel entsteht. Die Vorlage des geometrischen Körpers konstruierte Johannes Kepler in seiner „Weltharmonik“ 1619 als sternförmiges Gebilde mit insgesamt zwölf fünfseitigen Pyramiden, die jeweils auf den Seitenflächen eines Dodekaeders stehen.
Obwohl die Lichtskulptur auf rein naturwissenschaftlich nachvollziehbaren Phänomenen beruht, kann der Betrachter sich der Poesie und dem Ungreifbaren der Vervielfältigung der Form und der Erstreckung des Raumes kaum entziehen – und damit wird auch dieses Werk von Ólafur Elíasson zu einem Kunstwerk; diese Einheit in der Vielheit, die Erlebnismöglichkeit bei Tag und Nacht, die Aufhebung der Erdschwere lassen uns staunen über die Schöpfungskräfte der Natur – und des Künstlers.
(Wulf Herzogenrath, Sammlungskatalog „IM NORDEN“, 2009)