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THOMAS HARTMANN

* 1950in Zetel (Landkreis Friesland)
1974 – 1979Studium an der Hochschule für Gestaltung, Bremen, bei Karl-Heinrich Greune
diverse Auszeichnungen
1994Gastprofessur an der Fachhochschule für Kunst und Gestaltung Hamburg
1999Lehrauftrag an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald
seit 2005Professor für Malerei an der Akademie der Bildenden Künste, Nürnberg
lebt in Berlin und Nürnberg.
www.hartmann-thomas.de

Werke

FÄHREN IM UNTERWEGS

Thomas Hartmanns Bilder sind leise und feinsinnig. 
Ihnen ist etwas Wogendes und Flüssiges eigen. Sie gleichen Fähren im Unterwegs, sie resultieren aus einem „leeren, unbelasteten Sehen“, wie Jürgen K. Hultenreich es einmal beschrieben hat. Immer wieder versucht Hartmann, allen richtungszwingenden Ballast abzuwerfen, seinen Gehirnkasten völlig frei zu machen von Formalisierungen, von Vorgefasstem, Programmiertem. 
Was in seinen Bildern passiert, ereignet sich unerwartet – aber unvermeidlich. Thomas Hartmann stammt aus dem norddeutschen Tiefland zwischen Oldenburg und Wilhelmshaven, genauer: aus Zetel, gelegen in der „Friesischen Wehde“, im südwestlichen Teil des Landkreises Friesland.

Eine Vielzahl von Bezügen zu dieser Landschaft spiegelt sich in Bildern wie „Oldenburg mit Umgebung“, „Allee“, „In den Dünen“. Sein Landschafts- und Naturbezug führt zu Kompositionen aus innerer Notwendigkeit und zu einer von Leichtigkeit und Heiterkeit getragenen ästhetischen Bildordnung in stein-, sand- und erdfarbenen Tönen.
Hartmanns Vorfahren aus der mütterlichen Linie sind preußische Schlesier, die zum Ende des Zweiten Weltkrieges gezwungen waren, nach Norddeutschland zu fliehen. In Hartmanns Bildern ist das lange Zurückliegende, die Suche nach Heimat und Zugehörigkeit in Farbe verborgen und seelisch gerundet. Die Thematik des Erinnerns ist bei ihm ein In-der-Schwebe-Halten von Gefühlen, die das Verhältnis des Einzelnen zur Gemeinschaft betreffen. Es gibt nicht wenige Bilder des Malers, in denen winzige Einzelfiguren zusammen- und auseinanderstreben, in Reih und Glied in die Weite marschieren oder sich einfach wie in einem Insektenschwarm zerstreuen und doch beieinander bleiben.

Diesen Bildern ist eine Harmonie eigen, die von der Überwindung von Trennung, Isolation und Einsamkeit erzählt. Nicht im Tonfall eines romantischen Subjekts, das sich im Wirbel seiner durch das Erhabene stimulierten Gefühlswelt entäußert, nur um danach um so mehr wieder in seinen Begrenzungen zu landen; Thomas Hartmanns Bilder sprechen vielmehr mit der Stimme des inneren Zentrums und vom Standpunkt der individualisierten Einzigartigkeit jeden Lebewesens, und sei sie unter äußeren oder inneren Einschränkungsbedingungen auch noch so minimiert.
Rhythmik wie ornamentale Reihungen und Auffächerungen, etwa wie in „Viele Einzelne“, geben dem Gefühl des Einsseins mit der Masse Raum, punkten aber genauso für das Individualistische als einer den historischen Prozessen auch entgegenstehenden Größe, feinfühlig und mikropolitisch akzentuiert. Individuation ist hier eher als freier Wille zum Einfügen in das große Ganze zu verstehen. Hartmann ist Maler, kein ideologischer Ab- und Aufrechner in Heimat-Fragen, ihm geht es um psychische Offenlegung, sinnliche Berührung und unterschwellige Akzentuierung kultureller Substanz.
Akribisch wacht Thomas Hartmann über die wohltemperierte Sättigung des Bildmaßes. Während die Erinnerungen ans Licht drängen, entsteht ein Gefühl von Aufgehobenheit. Er spricht von „heimeligen Sujets“, von einem „ästhetischen Gegenpol“ zur Realität. Bilder sind ein Teil seines familiären Gefühls geworden. Lebensgeschichtliche Kontinuität ist dabei verwoben mit dem Bild als Energiefeld, das vielerlei Glücksmomente, nicht zuletzt das Naturverbundene sucht und betont, die Milde wechselhaften Frühlingswetters, ackerwarme Melancholie.
(Christoph Tannert, Sammlungskatalog „IM NORDEN“, 2009)