Per Kirkeby
* 1938 | in Kopenhagen |
1957 – 1964 | Studium der Geologie, Universität Kopenhagen |
1962 | Experimental Art School, Kopenhagen |
1976 | Biennale Venedig |
1978 – 1988 | Professur an der Akademie der Bildenden Künste, Karlsruhe |
1989 – 2000 | Professur an der Städelschule, Frankfurt a. M. |
1981 | Biennale Venedig |
1982 | documenta VII |
1992 | documenta IX; Biennale Venedig |
† 2018 | |
vielfach ausgezeichnet | |
zahlreiche Ausstellungen in den großen Museen der Welt | |
lebte auf der Insel Laesoe und in Kopenhagen. |
Werke
AUF DER SUCHE NACH DEM WESEN DER NATUR
Per Kirkeby ist einer der herausragenden europäischen Künstler der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und der bedeutendste dänische Künstler der Gegenwart. Seine Werke bringen das Wesen der Natur in großartigen Farborchestrierungen zum Ausdruck.
Die Komposition des Bildes „Ohne Titel“ von 2005 ist klar, ja geradezu streng: Eine breite, rotbraune Farbstruktur beherrscht die senkrechte Mittelachse. Nach rechts hin ragen vier schmalere waagerechte Bahnen aus ihr heraus. Werden diese vom rechten Rand der Leinwand angeschnitten, so dominiert am linken Bildrand eine markante gelbe Wellenlinie. Im Kontrast zu dem dichten, blaugrünen Liniengewebe ihrer Umgebung erinnert die zentrale Farbbahn mit ihren orangefarbenen Binnenlinien an einen Baumstamm mit massiven Ästen oder eingefügten Balken.
Ebenso wie die klare Komposition des Bildes ist die Struktur des Pinselstrichs typisch für Kirkebys Malerei zur Entstehungszeit des Bildes. Es wirkt mehr gezeichnet als gemalt: Schicht für Schicht legt der Künstler Bündel von Linien in verschiedenen leuchtenden Naturfarben übereinander und erzielt damit eine changierende Farbwirkung. Die Malerei erzeugt dichte Farbräume und die Wirkung einer steten Bewegung, die an Seegras in langsam dahinfließendem Wasser erinnert.
Seit dem Ende der 1970er-Jahre ist die Natur das zentrale Thema in der Malerei des Dänen. Als Inbegriff des Wachstums und der Natur per se tauchen – wie in unserem Bild – immer wieder Bäume bzw. Stämme auf. Dabei fehlt dem Bild jede eindeutige Gegenständlichkeit und räumliche Perspektive. Vielmehr zeigt es Strukturen, die beim
Betrachter Assoziationen auslösen oder Erinnerungen wecken. Man entdeckt Schichtungen, Torsionen, Wellen, Durchdringungen oder Verwebungen, also Zustände, die auf vorangegangene Prozesse verweisen. Ordnung und Auflösung, Materie und Immaterialität, Bewegung und Statik existieren in der Bildfläche nebeneinander. Kirkebys Gemälde erinnern den Betrachter an jahreszeitliche Stimmungen, Naturstrukturen oder geologische Gefüge. Sie sind keine Abbilder von Natur oder Landschaften, sondern aufgrund ihrer Struktur, Dichte und Offenheit, Kraft und Farbigkeit selbst ein Stück Natur.
Es ist kein Zufall, dass Kirkeby wie ein Naturwissenschaftler arbeitet, der immer weiter in die Tiefe seines Gegenstandes eindringt. 1938 in Kopenhagen geboren, studierte er Geologie, bevor er 1962 an die Experimental Art School in Kopenhagen wechselte. Das Interesse an der Natur blieb bestehen.
Den geologischen Expeditionen nach Grönland von 1958 und 1960 folgten bis heute naturwissenschaftliche Reisen in verschiedene Erdteile. Er arbeitet am Öresund in Kopenhagen und auf der Insel Laesoe im Kattegat.
(Nils Ohlsen, Sammlungskatalog „IM NORDEN“, 2009)