Nicola Stäglich
* 1970 | in Oldenburg |
1990– 1997 | Studium an der Akademie für Bildende Künste Mainz, Meisterschülerin bei Friedemann Hahn |
1993 – 1995 | Städelschule, Frankfurt a.M. |
1997 – 1998 | MA Fine Art am Chelsea College of Art, London |
2005 – 2006 | Lehrauftrag am Art Center College of Design, Pasadena |
diverse Auszeichnungen und Stipendien | |
Ausstellungen im In- und Ausland | |
lebt und arbeitet in Berlin. | |
www.nicola-staeglich.de |
Werke
SCHWEBENDE FARBE
Nicola Stäglich malt zugleich sinnlich und rational, spontan und kalkuliert, leidenschaftlich und überlegt. Die gelungene Allianz des Widersprüchlichen ist die Signatur ihrer Kunst. Mit Descartes im Blick könnte man Stäglich in einer paradoxen Formulierung als glühende Kartesianerin bezeichnen. Diese Synthetisierungskunst wird in ihren neuen Schüttbildern und Reliefs ebenso sichtbar wie in der Serie ihrer für Oldenburg entstandenen „Transparencies“. Sie tauchen in ihrem Werk zum ersten Mal 2004 nach einem Italienaufenthalt in Olevano auf.
Der Name verdankt sich dem von ihr für diese Malerei gewählten Bildträger. Das Acrylglas bildet einen transparenten Bildgrund, auf den Stäglich ihre Farbe in der Technik der Hinterglasmalerei aufbringt.
Die Anlagerung der Farbe baut sich daher nicht vor dem Blick des Betrachters auf, sondern weicht vor ihm zurück. Der diskrete Habitus ihres Auftritts und die Transparenz des Bildträgers machen, dass die Farbe im Raum zu schweben scheint. Das Materielle wird ätherisch und bleibt dennoch präsent. Obwohl klar komponiert, ändert sich mit jedem neuen Blickwinkel des Betrachters seine Wahrnehmung. In frontaler Ansicht tritt er per Spiegelung ins Bild. Seitlich gesehen wirft das Werk farbige Schatten, die einen dunklen Wiedergänger an die Wand malen. Wie nebenbei vermittelt die scheinbar gegenstandslose Malerei von Nicola Stäglich eine fundamentale Einsicht der Moderne: Dass sich die Dinge nicht mehr in eindeutiger Ontologie fixieren lassen.
Wir sehen auf den Bildern vertikale und horizontale Streifen, gelegentlich auch eine schwingende Pinselbahn. Das orthogonale Raster der Werke erinnert an die Konkrete Kunst, aber auch an die Module der Minimal Art. Indes folgen Stäglichs Kompositionen einer gänzlich anderen Kodierung. Waren die Protagonisten jener Kunstrichtungen auf der Suche nach ultimativen Formen und Formeln, ist Stäglich der Glaube an letzte Begründungen in der Ästhetik längst abhanden gekommen. Deshalb tritt sie auch als Autorin ins Bild. Farben mischen sich, Formen fransen aus. Das Subjektive und Irreguläre ihrer Handschrift verbindet sich mit dem Objektiven und Normativen der Geometrie zum schwebenden Balanceakt.
Nicht von ungefähr erinnern die Bilder auch an Fenster. Aber die Malerei gilt in der Moderne nicht mehr als „Fenster zur Welt“. Einmal mehr stoßen wir in Stäglichs Kunst auf Zitat und Umkodierung. Die Jahreszeiten, von denen die Bildtitel des Oldenburger Zyklus sprechen, sind nicht illustrierend, sondern assoziativ ins Werk gesetzt. Wie das Jahr aus der Abfolge von Tagen, Wochen und Monaten besteht, so finden wir in Nicola Stäglichs Malerei identische Motive, Strukturen, Kompositionsmuster. Aber so, wie sich die Jahreszeiten unterscheiden, unterscheiden sich auch die Bilder. Unterschiedliche Farben und Pinselbahnen sorgen für unterschiedliche Bildtemperaturen. Im Gleichen leuchtet das unverwechselbar Eigene auf, das Kunst und Leben zum singulären Ereignis macht.
(Michael Stoeber, Sammlungskatalog „IM NORDEN“, 2009)